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Unser Fotograf und Praktikant Alok Paleri, bislang eher im Driftsport zu Hause, nahm 2010 zum ersten Mal am 24h-Rennen teil. In seinem Blog lokkydesign schildert Alok in englischer Sprache seine ganz subjektive Sicht des Rennens, illustriert durch viele großartige Fotos. Für alle Fans unseres Teams, hat unser Kollege Peter Herrmann den Text ins Deutsche übertragen.

Es war gegen 3.40 Uhr am Sonntagmorgen.

Nach etwa 30 Stunden ohne Schlaf, zog ich in Richtung der VIP-Lounge oberhalb von Box 25, wo unser Team untergebracht war und hoffte, dort ein paar Minuten pennen zu können. Als ich gerade zur Tür hereingekommen war, erzählte mir Markus, der Besitzer des Rennstalls, "Wagen #81, der gerade so gut lief, liegt irgendwo zwischen dem Schwalbenschwanz und dem Pflanzgarten". Der Wagen, wurde von Rudi Seher, Olivier Fourcade, Tobias Neuser und Thomas Kappeler gefahren; gerade war Thomas am Steuer.

Das nächste, an das ich mich erinnere, ist, wie ich die Treppen zum Crewwagen runter stolpere, wo der Service-Truck bereits abfahrbereit ist. Toni macht mir die Tür auf und halb benommen vor Erschöpfung und Müdigkeit, springe ich rein.

Mit Chefmechaniker Futschi am Steuer heizten wir zu der Stichstraße, auf die unser Wagen geschleppt wurde.

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Mit einem Blick auf das Auto stand für Futschi fest, dass es aussichtlos ist, diesen Wagen innerhalb der Rennzeit zu reparieren.

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Thomas hatte versucht einen langsameren Mini zu überholen, als der touchierte und ihn in die Leitplanken drängte.

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Wir hatten keine Zeit zu verlieren, also zogen wir den Wagen auf den Anhänger.

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Wenn man genau hinschaut, kann man den Motor sehen.

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Jenseits der Vorderreifen war nicht besonders viel übrig geblieben. Wir fuhren also zurück und ließen das Auto im Fahrerlager auf dem Anhänger unter einer Plane stehen.

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Ich ging zur Box, wo dicke Luft herrschte. Die Mechaniker hatten sich um Futschi und den Teammanager Ulli Neuser versammelt. Es war Zeit eine Entscheidung zu fällen, ob Wagen #81 draußen bleiben sollte, oder ob man versuchen würde, ihn zu reparieren. Eine Reparatur würde viel Zeit kosten.

Zeit, die wir nicht hatten.

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Einige der freiwilligen Helfer genehmigten sich power naps...

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Wohingegen die, mit den mehr handfesten Aufgaben, sich mit der Hilfe von Energy-Drinks über Wasser hielten.

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Der führende Wagen mit der Nummer #80 mit dem jungen Piloten Dennis Nägele am Steuer wurde in weniger als zwei Runden an der Box erwartet. Während Rudi und Dieter auf die Boxengasse starrten, brachte mir Toni neue schlechte Nachrichten - Wagen #80 hatte Schwierigkeiten und rollte gerade bei Breidscheid aus.

Scheiße!

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Ich war wie in Trance, weit jenseits von Erschöpfung und nicht länger in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Wir waren gut auf das 24h Rennen vorbereitet und hatten sogar in Breidscheid jemanden mit Ersatzreifen und Benzin sitzen, nur für den Fall, dass wir Pech hatten und schnell an das Auto kommen mussten. Aber das war mehr als Pech. Das war viel mehr. Dennis' Bruder, Kristian, hatte sich bereits umgezogen und bereit loszulegen.

Ich war einige Sekunden weggetreten, aber dann schrie Dieter: "Alle zum Anhänger! Wagen #81 steht da und wir müssen ihn runter schaffen, um #80 zu holen."

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Besoffen vom Teamgeist, sprintete ich in einem Tempo los, dass Forrest Gump vor Neid hätte erblassen lassen.

Wagen #80 hatte 20 Minuten Vorsprung, und keiner war bereit, auch nur eine Sekunde zu verschenken.

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Wir schwärmten wie Bienen um den Anhänger und zogen das Wrack von Wagen #81 herunter. Überall rannten Mechaniker rum, und ich hatte schon wieder die Orientierung verloren. Ohne nachzudenken, sprang ich auf den Service-Truck.

Wir hatten keine Zeit zu verlieren, nicht mal um den Wagen zur Box zu ziehen. Anhand des Funkverkehrs hatten die Mechaniker angenommen, dass es ein Problem mit der Antriebswelle gab, also packten wir zu unserem Wagenheber und zusammen mit den Mechanikern rasten wir wieder nach Breidscheid.

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In Breidscheid fanden wir einen völlig aufgelösten Dennis vor.

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Die Mechaniker bockten den Wagen für eine schnelle Untersuchung auf und kamen zu dem Schluss, dass das Differential kaputt war.

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Dennis hatte beinahe 14 Runden geführt und nichts würde sich ihm in den Weg stellen.

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Wir hatten noch ein Ersatzdifferential, aber es war in der Box. Ohne Zeit zu verlieren schoben wir alle, inklusive Dennis, den humpelnden BMW 330i M auf den Anhänger und ab ging's zurück in die Box.

Als ich neben Dennis saß, wurde mir langsam klar, worum es beim Langstreckenrennen geht. Wäre alles glatt gegangen, wäre Dennis jetzt unterwegs zu seinem ersten Klassensieg bei einem 24h Stunden Rennen am Nürburgring, ein Titel der sein Gewicht in Gold wert ist. Es war die Zeit, in der Mensch und Maschine bis ans Äußerste gingen, oft darüber hinaus. Es gab keine Kompromisse, eine perfekt ausgeklügelte Teamstrategie für das anspruchsvollste Rennen der Welt.

Die Strategie war, das Auto zu schonen. Dennis erzählte mir, dass er den Wagen kaum antrieb, und Ulli bestätigte mir das später, als er mir erklärte, dass an der Start-Ziel Linie das Auto mehr rollte, als nachts abgedrosselt zu werden. Doch trotz aller Bemühungen von Fahrern und Team, war es das Material, dass Dennis im Stich ließ und es gab nichts, dass er tun konnte.

Das war das erste Langstreckenrennen, in das ich wirklich involviert war und so wusste ich vorher nicht wirklich viel darüber, aber ich versuchte trotzdem Dennis aus seinen trüben Gedanken zu reißen. Immerhin hatten wir noch 9 Stunden Rennen vor uns und in diesen 9 Stunden konnte alles passieren. Unser 20 Minuten Vorsprung schmolz mit jeder Sekunde dahin und Dennis war ruhelos; meine Versuche ihn aufz muntern machten da praktisch keinen Unterschied. Auf die vereiste Scheibe des Trucks schrieb er: "F***"

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Als wir an der Box ankamen war unser Vorsprung schon dahin, aber das Spiel war noch nicht vorbei. Unter den neugierigen Blicken der Schaulustigen schob unser Team den Wagen in die Box.

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Die Mechaniker waren großartig. Wir sollten das kaputte Differential austauschen und Bene war schon an der Arbeit.

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Während das Team schwer unter dem Auto beschäftigt war, machte sich Kristian fertig und stieg bereits ein, so dass wir keine weitere Sekunde des Rennens verschwenden würden, sobald der Wagen repariert war.

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Inzwischen erklärte Dennis die Situation seinem Fahrerkollegen Fabian Plentz. Diess sind die schnellsten Fahrer in unserem Team, die ihr Talent durch die Grüne Hölle zu rasen schon oft unter Beweis gestellt haben.

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Die Zeit um mich herum schien immer langsamer zu verlaufen, ich sah kurz zu Mark rüber, der nach Werkzeugen fischte...

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Dieter und Futschi waren damit beschäftigt die Hinterachse auszubauen, um an das Differential heranzukommen.

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Überall waren Leute, unter, über um das Auto. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie einen so großen Willen zum Sieg gesehen.

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Das Differential unter einem solchen Druck und solcher Erschöpfung auszubauen, gleicht einer herkulischen Tat, aber deswegen haben wir ja auch die besten Mechaniker der Welt für diesen Job!

Lähmende 57 Minuten später war unser Wagen aus der Box raus und auf der Strecke. Unsere Führung war schon lange dahin. Unser erträumter Sieg war in weite Ferne gerückt. Als das Auto auf die Strecke fuhr, hörte ich über den Boxenfunk die neue Strategie mit. Die Fahrer sollten die Sorge ums Material vergessen und draufdrücken.

Das Gaspedal bis zum Anschlag und darüber hinaus durchgedrückt, wurden die Fahrer angewiesen, alles aus den Autos herauszuholen was da war, und dann noch mehr. Die Curbs zu vermeiden war unwichtig geworden, es gab kein überflüssiges Abheben mehr, der Klassensieg war immer noch in Sicht und die Fahrer hatten ein Ziel vor Augen - zu gewinnen oder bei dem Versuch das Auto zu vernichten. Vollgas oder Schrott!

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Die Magie des 24h Stunden Rennens am Nürburgring dämmerte mir langsam, hier ging es nicht mehr um Geld oder Ruhm, das war echter Motorsport und langsam wurde ich davon betrunken. Ich versuchte mich im Truck ein wenig auszuruhen und unterhielt mich mit unserem Pressesprecher Jörg Eggert und unserem CEO Harald Steeger, der auch ein paar Sekunden Schlaf suchte. Irgendwann bin ich dann wohl zusammengebrochen und drei Stunden später aufgewacht.

Teambesitzer Markus brachte mich später auf den neusten Stand, wir hatten noch mehr Pech gehabt. Der Wagen war gerade zwei Runden gefahren, als es plötzlich mehr Probleme mit der Ölpumpe und der Hinterachse gab. Der Wagen war zweimal in der Box gestanden und hatte damit insgesamt 2 Stunden und 57 Minuten für die letzten drei Boxenstopps gebraucht. Wir waren inzwischen auf den vierten Platz unserer Klasse gefallen.

Währenddessen registrierte Fabian einen Leistungsverlust bei Breidscheid. Es stellte sich heraus, dass der Gashebel der Drosselklappe abgebrochen war, aber unsere Notfallcrew raste nach Breidscheid und konnte das Problem in wenigen Minuten beseitigen.

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Ich machte eine kurze Pause um mich zu duschen und eine Kleinigkeit zu Essen, bevor es zurück an die Box ging. Das Rennen lief nur noch wenige Runden und das Team war fix und fertig.

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Teamchef Rudi Seher machte immer einen gelassenen Eindruck. Wie er das hinbekommen hat, liegt jenseits meiner Vorstellungskraft.

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Unser Wagen hatte einen Platz gut gemacht und legte unglaublich schnelle Rundenzeiten hin, aber der Ruhm des Klassensiegs war dahin. Wir hatten einfach nicht mehr die Zeit, wieder nach oben zu kommen, das Rennen sollte in wenigen Stunden enden.

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Ein zweiter Platz war theoretisch möglich und Thomas, der im ausgefallenen Wagen #81 gefahren war kam mit seiner Schwester Tanja in die Box, die Augen am Rundenzeitenmonitor festgeklebt.

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Die ganze Crew hatte sich, kurz bevor die karierte Flagge geschwenkt wurde, in und vor der Box versammelt, um unserem Wagen an der Ziellinie zu zujubeln.

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Dominik, Christian, Raymond, Toni, alle waren sie da. Besonders Toni, praktisch der Muskel des Teams, schaffte es zu lächeln, obwohl er nur einige wenige Stunden Schlaf in der ganzen Woche hatte.

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Christian, der fast den ganzen Event von der Teamseite her organisiert hat, konnte endlich erleichtert durchatmen. Das Rennen des Jahres lag nun endlich hinter ihm.

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Dieses Wochenende hat mich wirklich geschafft, die Erschöpfung packt einen einfach irgendwann. Nachdem die Flagge gefallen war, konnte ich nicht anders, als in Tränen auszubrechen. Das hab ich schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Der Weltklasse-Motorsportreporter John Brooks hat mir später bestätigt, dass Langstreckenrennen das manchmal mit einem machen. Ich war noch nie so in ein Team involviert. Nichts kommt dem gleich.

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Sicher, ein dritter Platz muss für heute genügen, aber das ist nicht das Ende der Geschichte. Wenn man sich die Gesichter anschaut weiß man genau, es ist nie das Ende.

Ich bin hier nur ein Praktikant, aber ich kann versprechen, das Team kommt 2011 zurück an die Nordschleife, härter, besser, schneller, stärker. Und dann werden wir die Nordschleife orange anstreichen.

Hier ist das obligatorische Foto von Frances Stiefeln und das Ende meiner Geschichte.

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